Die G-LOC* Falle

Missy D geht dem Phänomen Geschwindigkeit und einigen seiner Begleiterscheinungen für Euch auf den Grund:

G-LOC (gravity lack of consciousness)

In einer von vielen durchwachten Nächten gab’s bei N-TV einen interessanten wissenschaftlichen Bericht:
Auf einer Rennstrecke in den USA gab es bei einem Autorennen mit schnelleren Motoren erstmals ernsthafte Probleme für die Fahrer mit der Überwindung der Erdanziehungskraft, physikalisch abgekürzt g, bei sehr starker Beschleunigung bzw. Kurvenfahrt.
Die Fahrer kamen von der Fahrbahn ab und waren teilweise ohnmächtig und klagten über Sehprobleme. Aber sie konnten (in diesem Fall 😉 nichts dafür, die Erklärung ist folgende:
Eine Stärke von über 5 G** lässt das Blut im Körper des Menschen plötzlich in die unteren Körperregionen absacken,
(was aber hier nicht die sonst üblichen Folgen hat 😉
aus dem Gehirn weg – so viel und so stark, dass das Gehirn mit seinen zentralen Funktionen nicht mit genügend Sauerstoff versorgt wird und als erstes das Sehvermögen ausfällt und schliesslich weitere Gehirnfunktionen lahmgelegt werden – was dann eine Ohnmacht zur Folge hat – das sogenannte G-LOC.
Ab +3G kommt es zu einer Einschränkung der Beweglichkeit der Arme und Beine, es besteht das Gefühl, die Wangen werden nach unten gezogen.
(Das kennen wir 😉
Ab +5G oder mehr treten Probleme mit dem Offenhalten der Augen auf, da der Lidhebermuskel die hierfür nötige Kraft nicht mehr ganz aufbringt.
Der normale arterielle Blutdruck im Kopfhöhe von 80 mmHG hat dann dort auf null abgenommen, während die Fussregion*** eine Blutdruckzunahme auf 370 mmHG erfahren hat. Es tritt Bewusstlosigkeit (LOC) auf.

G-LOC = Gravity-Loss Of Consciousness
[nasa/milit.]=Reaktionslähmung durch hohe Beschleunigung

Hier die physikalische Definition von G:

Es gilt die gute uralte Formel: Die Kraft F mit der ein Körper beschleunigt wird, ist gleich Masse mal Beschleunigung (F = m l a)
F wird normalerweise in Newton angegeben.
In der Fliegerei hat es sich eingebürgert, die Beschleunigungskraft nicht in Newton (1 N = 1 kg x m/sec2) sondern mit der Gewichtskraft G (dem Gewicht eines Körpers, das ihn zum Erdmittelpunkt hin mit der Erdbeschleunigung (g) = 9,81 m/sec2 anzieht. Es giltt die Formel:
G = m l g

Kurzgesagt Kräfte, die durch Beschleunigung (Zentrifugal- bzw. Zentripedalkräfte) auf den Fahrer bzw. Piloten einwirken.

Es gibt auch negative G-Kräfte, z.B. an einer Bergkuppe oder in der Achterbahn, wenn es uns „den Magen hebt“ und wir uns schwerelos fühlen.

Hier ein paar Beispiele für G-Werte:
PkW beim Anfahren: 0,3
Formel 1 Wagen beim Anfahren: ca. 1,0
Formel 1 Wagen bei Kurvenfahrt: ca. 4,0
Achterbahn: bis zu 6,0

Interessant ist es auch noch zu erwähnen, dass der Mensch ein kurzes hohes Einwirken der G-Kräfte (high G) besser verträgt als eine länger anhaltende niedrigere Einwirkung. Ein gut trainierter Pilot bei der Armee kann kurzzeitig bis zu 8 G aushalten.
Ein Airforce-Pilot beschreibt seine Erfahrung wie folgt:
High g’s can ruin your day. At the worst, you experience g-loc. Your vision is the first to go, as gravity forces blood downward. Your color acuity fades, and then your peripheral vision, until finally you suffer black-and-white tunnel vision and then, if you don’t pull out of the maneuver, everything goes black. That’s graying out; you are conscious but blind. The next step is blacking out; you are out cold.

auf deutsch übersetzt:
Hohe G’s können deinen Tag ruinieren. Im schlimmsten Fall hast du ein G-LOC. Dein Horizont verschwindet zuerst da die Erdanziehungskraft dein Blut absacken lässt. Dein Farbsehen verblasst, dann dein Sehvermögen in den Augwinkeln bis du schliesslich am schwarz-weissen Tunnelblick leidest und dann, wenn du aus dem Manöver nicht rausgehst, wird alles schwarz. Dann wird alles immer dunkler und du bist zwar noch bei Bewusstsein aber blind. Was dann kommt ist das Black Out – die kalte Ohnmacht.

Dies wird auch wissenschaftlich untersucht:
Wenn ein Mensch mit 80 Kilogramm Gewicht mit einer Rakete in den Orbit geschossen wird, erfährt sein Körper für mehrere Minuten eine permanente Beschleunigung, die etwa dem Dreifachen der Erdanziehung G entspricht; damit hat er ein virtuelles Gewicht von 240 Kilogramm. Kurzfristig kann diese Beschleunigung auch höhere Werte annehmen. Weil alle Theorie grau ist, und weil auch die Wissenschaft auf Erkenntnisse angewiesen bleibt, die sie mittels manifester Messwerte erhält, lässt sich diese Beschleunigung simulieren: mit Hilfe der Zentrifuge.
In einer fensterlosen, zehn Meter hohen Halle steht in der Mitte ein Antriebsaggregat, an dem ein etwa vier Meter langer Ausleger befestigt ist. Am Ende eine kleine, ebenfalls fensterlose Kabine, darin ein Sitz mit Vierpunktgurten, ein Computermonitor für Experimente, eine Videokamera zur Überwachung des Probanden und eine Wechselsprechanlage – der Belastungstest in der Zentrifuge kann starten.
Piloten der Luftwaffe tragen Anti-G-Anzüge, die sich im Ernstfall schnell mit Druckluft füllen und fest um Brust und Magen geschnürt sind; sie machen weiter spezielle Übungen um der G-LOC Ohnmacht vorzubeugen – z.b. durch Anspannung der Abdominalmuskeln
(das sind die, die die meisten von uns durch einen wohlgeformten Bierbauch verbergen 😉
und durch starkes Ausatmen (auch Schreien) wird versucht den Blutabfluss in die unteren Körperregionen zu verringern.
Wer also in der Achterbahn beim Rush nach unten schreit, macht also instinktiv genau das Richtige.

Auch im Designbereich beschäftigen sich die Ingenieure mit diesem Phänomen:
Statement Peter Clerx, Technischer Berater, Fa. Vekoma (baut Achterbahnen und andere Thrillgeräte für Freizeitparks):
„Das Wichtigste beim Design ist, innerhalb der limitierten vertikalen und lateralen G-Kräfte zu bleiben. Dann sind verschiedene Faktoren zuu berücksichtigen, damit auf der Schiene selbst nichts passieren kann. Mit dem Computer können wir die theoretischen Kräfte wunderbar kontrollieren und so die Wagen und dass ganze System so sicher wie möglich zu machen. Wir verwenden mindestens 50% unseres Arbeitsaufwands darauf, Wege zu finden, um unerwünschte Situationen vorherzusehen und zu verhindern.“

Da die Begleiterscheinung G-LOC auch bei Rennen eine Rolle spielen, wird heute bei der Konstruktion und Anlage einer Rennstrecke sowie auch der Rennwägen selbst darauf geachtet, nicht in den kritischen G-LOC-Bereich von über 6 G zu kommen. Bei Hochgeschwindigkeitsrennen, starken Beschleunigungen und schnellen Kurvenfahrten wird bald klar, dass der Mensch bei der Geschwindigkeit von seiner Beschaffenheit her klare Grenzen hat.

Er ist rein biologisch nicht dafür geschaffen, sich so schnell zu bewegen (zumindest nicht auf der Erde 😉 und dennoch versucht er seit Jahrhunderten mit Hilfe der Technik schneller zu werden. Es ist dieser Antrieb der Menschheit der die Faszination an der eigenen Grenzüberschreitung zugrunde liegt.

Letzlich hat sowohl der Rennfahrer als auch der Pilot einen Job mit Kick, nicht zuletzt wegen dem hohem Risiko, der das Adrenalin in die Venen schiessen lässt.
Den gleichen Kick, wenn auch nicht mit genau vergleichbarem Risiko, haben wir Motorradfahrer auf der Landstrasse auch. Und es ist eine der letzten Domäne wo der Normalbürger noch (gesellschaftlich halbwegs toleriert) aus seinem erdrückenden Korsett aussteigen kann, dass ihm von der BILD-Allgemeinheit und der vorgefertigten Pro-7-Moral auferlegt wurde.

Daher gilt für mich und viele andere Speeding Fans weiter die Devise:

get your kicks at high G’s

Anmerkungen:
* Das G-LOC wird von Laien oft als G-Lock bezeichnet, was aber wissenschaftlkich falsch ist.

** Um den Text nicht zu komplizieren wurde G ohne nähere Bezeichung verwendet, gemeint sind stets Positive G = (+Gz)

***Dies ist auch der Grund, weshalb Flugpassagieren empfohlen wird, Kompressionsstrümpfe während des Flugs anzulegen, da sich der Blutdruck in den Beinvenen stark erhöht und bei bestimmten Dispositionen mit medizinischen Problemen gerechnet werden muss.

Vielen Dank an Dr. Klaus Lohn
Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Köln

Weiterführende Literatur/Quellen:

Kompendium der Flugmedizin Okt. 2005,
herausgegeben vom flugmedizinsichen Institut der Luftwaffe
download über http://www.teamflugmedizin.de/downloads/kompendium.pdf
(das muss jeder Pilot lernen 😉

Inspiration aus den Filmtexten der Sendungen über Geschwindigkeit:
http://www-x.nzz.ch/format/broadcasts/broad_312.html
http://www-x.nzz.ch/format/broadcasts/broad_313.html

http://www.coaster.de/bahnen.htm
(Fanseite Fahrgeschäfte, Achterbahnen, etc.)

http://www.wikipedia.de (Artikel G-Kraft)
(online Lexikon)

Fachbuch:
Roy DeHeart: Fundamentals of Aerospace
Medicine, Lea&Febiger, Philadelphia, 1985

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Über MissyD

* Sie hat 66 Tattoos * Sie geht seit dem magischen Dreieck ins Stadion (B Block) * Sie fährt mit den Jungs * Sie fährt D wie Daytona * Sie schert sich nicht um Konventionen * Sie wird geliebt oder gehasst * Sie ist verdammt schnell
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